So wahr ich Meyer heiße. Abenteuer eines Vielreisenden.

Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Da stand ich nun, mit meinem Rollkoffer in der Hand, das Ziel meiner Reise direkt vor Augen. Tagsüber hatte ich noch im Ausland einen Kunden besucht. Nachdem mein Flugzeug gegen Mitternacht in Deutschland gelandet war, war ich erst noch eine gute Stunde quer durch die Stadt gefahren, um mein Reiseziel zu erreichen. Das Tagungshotel gehörte zu einer großen Hotelmarke, die jeder kennt. Am kommenden Morgen in aller Frühe sollte dort mein Seminar beginnen. Ich war von der langen Reise ziemlich müde und wünschte mir nichts sehnlicher, als mein Hotelzimmer zu beziehen und mich möglich schnell in die Hände von Morpheus, dem Gott des Schlafes, zu begeben. Und so trat ich in das Hotel ein, nicht ahnend, was ich dort im nächsten Moment erleben würde.

Die Hotellobby war groß und modern. Ich erspähte einige Geschäfte und ein Café mit Stühlen und Bistrotischen in der Halle. Nur eines schien es um diese Zeit nicht mehr zu geben: Menschen. Es war absolut niemand zu sehen. Selbst die Rezeption war zunächst unbesetzt. Als ich mich ihr näherte, erschien wie aus dem Nichts ein Rezeptionist und begrüßte mich vom Empfangstresen aus. Und so entspann sich folgender Dialog.

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Ich: Guten Tag, ich möchte einchecken.

Rezeptionist: Selbstverständlich. Haben Sie denn reserviert?

Ich: Ja, auf den Namen Meyer. Hier ist mein Reservierungsbeleg.

Rezeptionist: Ach, Herr Meyer, ich sehe gerade, Sie haben ja schon eingecheckt.

Ich: Das ist kaum möglich. Ich bin eben erst angekommen.

Rezeptionist: Doch doch, Sie haben eingecheckt und sind sogar schon auf Ihrem Zimmer.

Ich (freundlich und geduldig): Entschuldigung. Ich stehe gerade vor Ihnen. Ich habe vor ein paar Tagen ein Zimmer reserviert, und jetzt hätte ich gerne einen Zimmerschlüssel.

Rezeptionist: Den Zimmerschlüssel haben Sie doch schon. Sonst wären Sie ja gar nicht in Ihr Zimmer hineingekommen.

Ich (sprachlos): –

Rezeptionist: Schauen Sie, ich beweise es Ihnen. Ich rufe Sie jetzt an. (Wählt am Telefon die Zimmernummer.) Hallo? Hallo, Herr Meyer. Hier ist die Rezeption. Verzeihen Sie, dass… Ach… Ach Sie sind gar nicht Herr Meyer? Dann entschuldigen Sie bitte die Störung. (Legt auf.)

Ich: Sehen Sie?

Rezeptionist: Herr Meyer, die Sache ist ganz einfach: Sie sind schon in Ihrem Zimmer; Sie heißen bloß nicht Meyer.

Ich: Ich heiße Meyer, so wahr ich Meyer heiße!

Rezeptionist: Aber warum haben Sie mir dann eben am Telefon etwas anderes erzählt?

Ich: Könnte ich bitte ein Zimmer haben? Einfach nur ein Zimmer?

Rezeptionist: Selbstverständlich. Haben Sie denn reserviert?
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[Tweet “”Ich heiße Meyer, so wahr ich Meyer heiße!””]

Man mag es kaum glauben, aber dieses Gespräch hat sich wirklich so ereignet. Anschließend gelang es mir sogar mit etwas Verhandlungsgeschick, in dem Hotel doch noch ein Zimmer zu ergattern. Viele Jahre lang habe ich an der Uni das Fach „Service Management“ unterrichtet. Die Studenten kamen überwiegend aus dem Ausland und wollten später einen Dienstleistungsbetrieb leiten, manche davon ein Hotel oder eine Hotelkette. Gelegentlich fragte mich eine Studentin oder ein Student, warum man denn noch über Serviceprozesse reden müsse. Das sei doch alles schon standardisiert und kaum noch zu verbessern. Dann erzählte ich die folgende Geschichte:  Es war eine dunkle und stürmische Nacht …

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