Es gibt zwei Arten von Menschen. Genauer gesagt, lassen sich einem Persönlichkeitsmodell der Psychologie zufolge alle Menschen in zwei Gruppen einteilen: Die Progressiven und die Konservativen. Das ist in diesem Fall nicht politisch gemeint, sondern im ursprünglichen Sinne des Wortes.
Progressive sehen eine neue Sache und können in ihrem inneren Auge sofort ein ergänzendes Bild erkennen, wie sie diese Sache noch verbessern könnten. Ihr Lebensmotto lautet: „Die Welt ist schön. Lasst sie uns noch schöner machen!“ Konservative hingegen sehen in jeder Veränderung eine Bedrohung, eine Gefahr für ihre Pfründe und Privilegien. In ihren Augen bedeutet eine Veränderung, dass ihnen jemand etwas wegnehmen will. Ihre Zukunftsangst ist wohl eigentlich eine Verlustangst.
Wenn man nun weiß, dass diesem Persönlichkeitsmodell zufolge die Progressiven 20% der Mitmenschen ausmachen und die Konservativen 80%, dann sieht man sich in jeder Situation einer veritablen Majorität von Fortschrittsverweigerern ausgesetzt. Wer ankündigt, die Dinge künftig ganz anders machen zu wollen als es zuvor üblich war, der hat sofort die Mehrheit seiner Mitmenschen gegen sich aufgebracht.
[Tweet “Zukunftsmut hat zu tun mit der Einsicht, dass man in Summe gar nicht so viel zu verlieren hat.”]
Zukunft bringt stets Veränderung mit sich; neben dem Verlust von etwas Altem auch den Gewinn von etwas Neuem. Der Begriff „Zukunftsangst“ ist Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs; dagegen findet der „Zukunftsmut“ eher selten Verwendung. Wie kann man seine Zukunftsangst in Zukunftsmut verwandeln? Die Antwort hat sicherlich auch damit zu tun, dass man sich auf seine Pfründe weniger einbildet. Wer sich ausschließlich durch seine Besitztümer definiert, der glaubt bei einem Verlust seiner Pfründe quasi alles zu verlieren. Wer also die Zukunft bloß mit Verlust verbindet, der wird sich mit Händen und Füßen gegen den Fortschritt sträuben. Hingegen ist die ausgewogene Perspektive auf die Zukunft mit Berücksichtigung ihrer Chancen in gleichem Maße wie ihrer Risiken für manche eine ungewohnte Übung. Erst die Aussicht auf die positiven Seiten, die das Neue mit sich bringt, schafft den Mut, die nötigen Veränderungen der Zukunft anzunehmen. Zukunftsmut hat etwas zu tun mit der Einsicht, dass man in Summe gar nicht so viel zu verlieren hat. Das ist ähnlich wie in der alten Volksweisheit: „Wenn du auf dem Boden schläfst, hast du keine Angst, aus dem Bett zu fallen.“
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